Zutaten und ein Rezept guter Wirtschaftspolitik
Einige Zutaten und ein Rezept einer guten Wirtschaftspolitik für die Globalsteuerung
… nur an den Interessen des eigenen Unternehmens interessiert
Unternehmer wissen in der Regel nicht, was gute Wirtschaftspolitik ist. Für sie stehen die Interessen des einzelnen Unternehmens, des eigenen, im Mittelpunkt. Fast alle Unternehmer denken so. Und deshalb halten sie z. B. Lohnflexibilität für gut. Das ist vor allem die Beweglichkeit der Löhne nach unten. Sie senkt die Kosten und hebt damit in der Vorstellungswelt des einzelnen Unternehmers den Gewinn. Daran, dass die Löhne zu Ausgaben der Lohnempfänger werden, die in den Kassen anderer Unternehmer landen, die dann wiederum Investitionsgüter kaufen können, denkt erst einmal kein Unternehmer.
Sorgt der Markt für ein Optimum?
Bei den Ökonomen ist es meistens nicht besser. Für viele von ihnen wäre es das Beste, wenn die Regelung aller wirtschaftlichen Herausforderungen dem Markt überlassen würde, der angeblich alles am besten regelt. Die beste Wirtschaftspolitik in diesem Sinne wäre wohl der Verzicht auf Wirtschaftspolitik und – solange es noch keine vollständige Freiheit für die Dynamik des Marktes gibt – der Abbau all dieser Hemmnisse für das unbeschränkte Wirken des Marktes. Nur dafür darf heute noch das Wort Reform benutzt werden. Der Grundfehler dieser neoklassischen Ökonomik besteht darin, dass der Verweis auf die allzeit beste Wirkung der Marktkräfte eine Grundthese impliziert, die nicht nur unbewiesen ist sondern sogar schlicht unbeweisbar ist, zumindest solange nicht geklärt ist, was der beste Zustand ist, den der Markt jederzeit herzustellen in der Lage ist. Dass die komplette Markträumung in jedem Fall die beste Lösung darstellt, ist hier nur eine petitio prinzipii mit gleichzeitiger Ausschaltung der Demokratie als Prozess der politischen Zielfindung für einen solchen „besten Zustand“.
Politik folgt dem Irrweg
Für die große Mehrheit der Politiker gilt als Wirtschaftspolitik, was Unternehmer erwarten und Ökonomen empfehlen. Wer im politischen Bereich als Wirtschaftsfachmann gelten will, muss sich wirtschaftsnah geben, d. h. das vertreten, was die Unternehmer für ihre Interesse halten und die Ökonomen nicht als Irrweg kritisieren. Da stehen an erster Stelle die staatliche Sparsamkeit, Schuldenabbau, Reduktion des Staatsanteils am Bruttosozialprodukt und die „Reformen“ im aktuellen Verständnis: diverse „Liberalisierungen“, Rückbau staatlicher Regulierungen. Dieses Verständnis schränkt die Möglichkeiten staatlichen Handels stark ein, um das Feld weitestgehend der Initiative privaten Handelns zu überlassen.
Gute Ziele vor 50 Jahren beschlossen
Um zu klären, was gute Wirtschaftspolitik sein kann, gilt es zu explizieren, woran die Qualität dieser Politik zu messen ist. Der Gesetzgeber hat uns hier in einer Zeit, als er in Sachen Wirtschaftspolitik schon bei Weitem kompetenter war als heute, eine Hilfe zuteilwerden lassen. Er hat 1967 ein sogenanntes Stabilitätsgesetz erlassen, mit dem gesamtwirtschaftliche Stabilität zum Staatsziel erklärt wurde. Die zugehörigen Teilziele entsprechen dem bekannten magischen Viereck: Preisniveaustabilität, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum. Das Grundgesetz in der Fassung vom 8. Juni 1967 verpflichtet Bund und Länder, „bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen.“ (Art. 109 (2)) Mit dem Gesetz und der Grundgesetzänderung verschaffte der Gesetzgeber dem Staat die rechtliche Grundlage für die wirtschaftliche Globalsteuerung, u. a. durch kreditfinanzierte Mehrausgaben für die Rezessionsbekämpfung und für eine Konjunkturausgleichsrücklage, die in Zeiten der Prosperität mit Steuerüberschüssen zu bilden und bei der Bundesbank zu hinterlegen sei, um sie bei dem nächsten Abschwung wieder zu verausgaben.
Staatliche Rücklagen kein Instrument
Aus heutiger Sicht wirkt das Instrument einer Konjunkturausgleichsrücklage wenig praktikabel, als ob sich konjunkturbedingte Täler und Berge der Steuereinnahmen so nutzen ließen, dass in Zeiten der abschwungbedingten Steuerrückgänge für stimulierende Konjunkturpakete keine neuen Staatsschulden aufgenommen werden müssten. Das Motto „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“ gilt aber zumindest für den Staat nicht. Wir werden unten sehen, dass Staatsschulden in der Wirtschaftspolitik eine besondere Rolle spielen. Die Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts sind in Deutschland seit 1950 zum ersten Mal im Jahr 2013 gesunken und bis dahin immer gestiegen. (Staatsverschuldung Deutschlands) D. h. es gab gar keinen Überschuss der Steuereinnahmen über die Staatsausgaben. Und nur in den Jahren 1969 bis 1971 gab es Einstellungen in die Konjunkturausgleichsrücklage, die 1974/75 aufgelöst wurden. (Konjunkturausgleichsrücklage) Dabei gab es auch in diesen drei Jahren 1969 – 71 eine Erhöhung der Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts. Wenn man die neuen Staatsschulden der Jahre 1969 – 1971 mit der Konjunkturausgleichsrücklage saldiert, ergibt sich, dass das Geldvermögen des Staates nicht gewachsen ist – er also nichts „zurückgelegt“ hat. Seine Gesamtverschuldung ist vielmehr auch in diesen Jahren gestiegen. Wir werden sehen, dass der Staat für die Stimulierung der Konjunktur auf eine Rücklage auch gar nicht angewiesen ist.
Ziele des Stabilitätsgesetzes dennoch richtig
Dass die Konjunkturausgleichsrücklage kein geeignetes wirtschaftspolitisches Instrument war, heißt allerdings nicht, dass die Ziele des Stabilitätsgesetzes falsch, untauglich oder unerreichbar wären – ganz im Gegenteil. Es ließe sich allerdings diskutieren, ob die Ziele wirklich gleichrangig sein sollten, insbesondere das Preisstabilitätsziel und das Vollbeschäftigungsziel, und ob das Wachstumsziel angesichts der ökologischen Herausforderungen differenziert werden muss oder um ein Nachhaltigkeitsziel erweitert werden muss.
Gesetzgeber verschrottet sein eigenes Instrumentarium
Bevor wirtschaftspolitische Instrumente der Zielerreichung diskutiert werden, soll kurz nachverfolgt werden, was der Gesetzgeber in Deutschland zur Entwicklung oder Veränderung der Instrumente der Wirtschaftspolitik seit dem Stabilitätsgesetz ins Werk gesetzt hat. Seit der sogenannten „geistig-moralische Wende“ und dem Regierungswechsel 1982 wurde das Ziel der Vollbeschäftigung faktisch nachrangig. Nach 10 Jahren kam durch den Vertrag von Maastricht der Beschluss zur Schaffung der neuen Währung Euro und der Festlegung der Defizitquote des Budgets unter 3 % und der Schuldenstandsquote des Staates unter 60 % des BIP hinzu. Mit der Schaffung des Euro und der EZB hat die Bundesrepublik Deutschland keine Geldpolitik in eigener Hoheit mehr. Mit den Maastricht-Kriterien ist die wirtschaftspolitische Funktionalität der Fiskalpolitik stark beschnitten. Diese Beschneidung hat der deutsche Gesetzgeber bekanntlich mit der sogenannten „Schwarzen Null“ oder auch „Schuldenbremse“ durch Änderung der Verfassung im Jahr 2009 weiter verschärft.
In einem weiteren Teil soll auf die beiden zentralen Instrumente der Wirtschaftspolitik eingegangen werden.
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